Kulturlotse

Couture im Aufbruch

Veröffentlicht am 21. Dezember 2023 von Kulturlotsin Ulrike

Blüten schimmern im kerzenbeleuchteten Entree, Gäste tragen sie im Knopfloch. Kein Zweifel, dieses Event in der Fabrik der Künste hat Stil - die Couture Show der Hamburger Modeschöpferin Lea Theres Lahr-Thiele.

       

Es ist Freitagabend, 3. Advent. Besser könnte man ihn nicht verbringen als in dieser edel-relaxten Atmosphäre: weißer Saal, chillige, lateinamerikanisch angehauchte Musik, anmutige Models. Gerade läuft die Generalprobe vor der Show. Ein quirliger Rotschopf, Nadine Freitag, Dozentin an der AMD Akademie Mode und Design, führt durch das Feintuning. Haltung, Gang, Blick - alles kommt auf den Prüfstand. Vor allem jener Moment, in dem das Model kurz vor dem Publikum verweilt und nur die Augen sprechen: „Hier ist mein Kleid, hier bin ich – für dich!“ „Kuck doch bitte nicht so traurig, du bist doch soo schön!“ ermuntert Nadine ein Mädel. Erneuter Durchlauf, bis die professionell-freundliche Coolness sitzt. 

Foto: © Lea Theres Lahr-Thiele                      

                                                      

Dann dürfen die modischen Protagonist:innen noch etwas im Backstage entspannen, während die Besucher:innen hereinströmen. Zügig füllt sich der Saal, schicke Blusen treten auf den Plan, Half-Bun-Frisuren und 70er-Jahre-Schlaghosen. Küsschen, Summen, Stimmengewirr, ein Glas Sekt darf auch noch sein. Medienvertreter rücken ihre Kameras in Position, Teenies probieren begeistert Mini-Modeling auf dem Gang. Plötzlich verstummt die Musik. Sie ist da, goldblondes Haar, schwarzes Outfit, strahlende Laune: Lea Theres Lahr-Thiele, Designerin und Schöpferin dieses abendfüllenden Kunstwerks. Lächelnd umkreist sie das Publikum, bekundet Freude über zahlreiches Erscheinen und schon geht es los - mit einer Couture Show, die Brautimpressionen weckt. „Aah!“ und „Ooh!“ möchte man rufen ob all der fragilen Ästhetik, die nun den Catwalk hinunter schreitet. Hier sind sie wieder, die Blüten, Vintage-Schönheitssymbole, die sich um Liebesgeschichten ranken. Bei Lea tritt das verspielte Element in rauschhafter Fülle auf, in teils völlig neuartigen, futuristisch wirkenden Formationen: Blütenstrang-Capes, Blumen in 3D auf stylischen Bomberjacken, Boleros, Beach-Kleidchen. Alles in Weiß. Oder schwarz. Oder im sanften Creme-Ton. 

Foto: © Ulrike Korb                                                                                  

                                            

40er Jahre Glam gleitet in üppigem Tüll vom seidigen Hosenanzug, Ballerina-Tutus bauschen sich um schmale Taillen, auch bei den Männern. Das ist interessant, kennt man diese doch eher in Sakko und Jeans. Eine genderübergreifende Schnittform habe sie hier verwendet, erzählt Lea später beim Partyausklang, damit will sie Stereotypien in der Mode aufbrechen. Das gelingt ihr offensichtlich: ein Adonis, der geradewegs griechischen Mythen entsprungen scheint, tritt in transparentestem Chasuble und knielangen Blumenrock auf. Es wirkt selbstverständlich-lässig und elegant, wie für eine Hochzeit am kalifornischen Strand.


Vernissage: „KILL YOUR DARLINGS“

Szenenwechsel. Samstag, No Shopping heute, es gibt Fantasievolleres: die Vernissage in der Fabrik der Künste. Ein Ensemble aus Stoffen, Bildern, Lichtinstallationen und Zeichnungen festlicher Roben füllt das Haus mit Couture Flair. Models auf magischen Schwarz-Weiß-Fotos inszenieren Mode in Tänzerposen und geheimnisvoller Attitude. Impressionen einer Kunst, die Ästhetik aufs Wirkungsvollste mit einer Neuen Nachhaltigkeit vereint, die schon im Namen der multimedialen Ausstellung verankert ist: ZERO WASTE. Keine Verschwendung also, sondern Wiederverwendung von Materialien. Ihre Stoffe bereitet die Designerin mit Lasertechnologie auf, in ihrer eigenen ressourcenschonenden Designmethode, dem "Counterform-Design". Die Blüten sehen hochwertig aus, hell wie frisch gefallener Schnee. Ausgestanzte Blumen hier treten als Applikation dort wieder auf. Besucher:innen führt die Textilkünstlerin gern in kurzen Vorträgen in ihre handwerklich ausgefeilten Arbeiten ein. Was es denn mit dem etwas martialisch klingenden Ausstellungs-Titel „KILL YOUR DARLINGS“ auf sich hat, wird sie gefragt. 

Da lächelt sie: „Kill Your Darlings bezieht sich auf den Moment, in dem geliebte Entwicklungen aus dem Design herausgenommen werden, obwohl man so sehr an ihnen hängt.“ MURDER YOUR DARLINGS empfahl der britische Schriftsteller Sir Arthur Quiller-Couch (21.11.1863 – 12.05.1944) einst Autoren zur Stilprägnanz. Das Wegstreichen von Bewährtem eröffnet Neues, bedeutet Wagemut, Demut, Aufbruch – um dem Projekt zu dienen und nicht der geliebten Entwicklung, findet Lea.  

Foto: © Isabell Kessler                 

             

Wenn eine Couture-Künstlerin solchen Frischeschub hegt, hat das Folgen: Leas Werke wurden bereits zweimal ausgezeichnet und sie öffnet sich begeistert anderen Spielarten der Kunst. 


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