Veröffentlicht am 23. Januar 2024 von Kulturlotsin Ulrike
06. Januar 2024. Schneegestöber. Die Fabrik der Künste ist ein vereister Winterpalast. Drinnen heizen Kunstgenres in der multimedialen Vernissage „DAR A LUZ“ richtig ein. Hier trifft die Couture der jungen Modeschöpferin Lea Theres Lahr-Thiele in einer spannenden Melange auf Performance - mit der mexikanischen Tänzerin Alicia Ocadiz.
Das Besondere ist sofort spürbar beim Betreten des Saals. Alicia, im schwarzen, eleganten Jumpsuit aus Leas Modelinie, tanzt im weichen Modern-Dance-Mood um etwas Zartes, Kleines herum. Kopfstand, Beinschwünge, Bodenakrobatik, alles formiert sich - um ihr Baby. Die kleine Naima, 8 Monate alt, robbt eifrig über die Bühne, total süß im dunklen Strampler, von dem sich schnelle weiße Söckchen abzeichnen. Die Kleine scheint die Choreo der Mutter zu steuern, Alica eine intuitive Impro darum zu zaubern. Das fröhliche Tanz-Duo unter dem weißen Baldachin fegt Mutterprobleme einfach weg: Baby-Blues. Nur-noch-Mutter-Sein-Mögen. Etwas Ursprüngliches, sehr Anrührendes geht von diesem Szenario aus.
Foto: © Lea Theres Lahr-Thiele
Ist es der sphärisch anmutende Klang des Soundkünstlers Mario Babojelic, der die Bewegungen untermalt? Oder Alicias natürliche Balance mit dem Tanz und der Fürsorge für ihr Baby? Während die Zuschauer noch ihre Gefühle sortieren, sitzen Designerin Lea und Alicia einträchtig nebeneinander auf der Bühne. Diese Vibes im Raum - genau darüber wollen sie jetzt sprechen: Hoffnungen, Verletzbarkeit, Spiegel ihrer Kunst. Bereits im Januar 2023 haben sie beschlossen, zusammenzuarbeiten. Es war eine anstrengende Phase für beide. Alicia war gerade hochschwanger, Lea kurz vor der Fertigstellung ihrer Abschlusskollektion, die Nerven lagen blank. Aber: „Geh ruhig und stark in das Unbekannte hinein!“ – dieses Rezept von Alicias Mutter für Alicias Schwangerschaft gefiel auch Lea. Die Kollektionen der AMD-Absolventin wurden bereits mehrfach ausgezeichnet, auch wegen des ressourcenschonenden Upcyclings vorhandenen Materials. Neues wagen ist eine Sehnsucht der beiden Künstlerinnen. Dafür steht das spanische Wort „DAR A LUZ“, ihr Lieblingsmotto. Es bedeutet „gebären, ans Licht bringen“.
Foto: © Lea Theres Lahr-Thiele
Dar A LUZ wurde auch Titel einer Performance der schwangeren Alicia im Januar 2023. Sie zeigt die werdende Mutter in Starqualität, eine Lichtgestalt auf dem Weg zur Geburt, schön wie ein Cover der Vogue. Wie DAR A LUZ künftige Kollektionen und Performance prägen wird? Lea und Alicia wissen es noch nicht. Vertrauen auf das, was Gestalt annehmen wird. Vielleicht schon zur Finissage am 13. Januar? Nichts wie hin!
13. Januar 2024. Abschlussevent „DAR A LUZ“. In der Fabrik der Künste erwartet ein schillerndes Kaleidoskop aus Fashion, Performance, Sound und Theater-Acts die Gäste.
Nanu? Sind wir in den Anden? Panflötenzauber und sanfte Gitarrenklänge umhüllen eine dunkle, zusammengekauerte Gestalt auf der Bühne. Nur schleppend bewegt sie sich fort, als trüge sie eine schwere Last den Berg hinauf. Man möchte ihr helfen, doch da, urplötzlich, fallen schwarze Schleier von ihr ab wie Kokons, aus ihr tritt – jung und strahlend – Alicia hervor. Ihr Baby im Tragetuch vor der Hüfte, geht´s mit mexikanischem Temperament rund im Tanz. Folkloristisches Füßewirbeln, martialische Armgesten, schützendes Babyhalten, feminine Tangoposen. Widersprüchliche Gefühle schwappen aus der Choreo, es sind verschiedenste Facetten ihres Mutterseins, die sie hier getanzt hat, erzählt Alicia später beim Publikumstalk. Wildes Abarbeiten der To-do-Liste ebenso wie Wärme, Hingabe, Weiblichkeit und Tanz. Baby Naima gibt bei all dem keinen Mucks von sich und lugt freundlich aus dem Tragetuch. Hauptsache, Mama ist da.
Foto: © Lea Theres Lahr-Thiele
Zwischen den Vorstellungen erheitert Lea die Besucher mit witzigen Stories aus dem Designeralltag: über die störrische Lasermaschine, die nur ein Muster zu kennen scheint. Und Leas Gespräche mit den Stoffen. Ja, richtig gehört! Mit ihrem Material lotet Lea einfühlsam die innewohnende künftige Schönheit aus, fragt es, was es denn werden will. Schöner geht´s nicht. Wie ihre Mode aussieht, transportieren anschließend hübsche männliche Models in Live-Acts. Ein Actor mit Magie-Noir-Film-melancholischen Augen wird in Leas Pailletten-Catsuit zum perfekten modernen Glam-Movie-Helden. Ein anderer Beau kokettiert im Seidenkimono mit dem Publikum, um gleich danach vom Krepp-Cape umwoben zum Panthersprung anzusetzen. Bei Leas Mode ist alles drin: minimalistische Asia-Art, flippige Fransen-Freshness, Blütenopulenz, feminine männliche Eleganz. Chacun à son goût! Ein traumhafter Nachmittag. Die Catwalk-Lichter blinken. Hach, DAR A LUZ! Da Capo! Please!
Mehr über Lea Theres Lahr-Thiele: https://leathereslahrthiele.com/